Thomas Mann: Lob der Vergänglichkeit

“Sie werden überrascht sein, mich auf die Frage, woran ich glaube oder was ich an höchster Stelle sehe, antworten zu höre: Es ist die Vergänglichkeit.

Aber Vergänglichkeit ist etwas sehr Trauriges, werden Sie sagen. – Nein, erwidere ich, sie ist die Seele des Seins, ist das, was allem Leben Wert, Würde und Interesse verleiht, denn sie schafft Zeit, – und Zeit ist, wenigstens potentiell, die höchste Gabe, in ihrem Wesen verwandt, ja identisch, mit allem schöpferischem und tätigen, aller Regsamkeit, allem Wollen und Streben, zum Höherem und Besseren. Wo nicht Vergänglichkeit ist, nicht Anfang, nicht Ende, Geburt und Tod, da ist keine Zeit, – und Zeitlosigkeit ist das stehende Nichts, so gut und so schlecht wie dieses, das absolut Uninteressante.”